Herbstfest mit Joseph Haydns „Jahreszeiten“

Zwischen Saufgelage und offenem Grab

Ebenhausen – „Juhe! Juhhee! Der Wein ist da.“ Dass Alkoholgenuss eine bestimmte Wirkung haben kann, ist bekannt – doch gleich so? „Juhe, juho, ju! Es lebe der Wein” Und juhhe, juhhe, juch! Aus vollem Halse schrei´n.“ Im Hofbräuhaus wurde es nicht toller zugehen. Allerdings ist man hier mitten in Joseph Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ für Chor, drei Soli und Orchester. Herbst ist es, die Weinlese wird ausgiebig gefeiert. „Leert die Becher! Lasst uns fröhlich sein!“

Überwältigend war der dionysischen Lebenstaumel, den Philipp Amelung am Sonntag in der katholischen Kirche Sankt Benedikt beim achten Ickinger Konzertzyklus aus dem Bach Ensemble München und dem Münchner Mozart Orchester schmettern ließ. So unverbraucht, dabei jedoch klanglich äußerst differenziert und in jedem Takt wie neu entstehend, erlebt man Haydns üppigen Musikschinken selten. Dabei zeigte gerade Amelungs weitsichtiges und tiefsinniges Dirigat, dass es im vermeintlichen Klamauk viel an ernsthafter Empfindung und musikalisch genialischen Einfälen zu entdecken gibt. Wenn in einigen Musikführern „Die Jahreszeiten“ als buffoneskes Gegenstück zu Haydns ernst-erhabener „Schöpfung“ bezeichnet werden, so bleibt dies eine hohle Phrase. Denn bei Haydn vermischen sich stets Ernst und Komik. Im „Frühling“ etwa lässt er seine berühmte“Paukenschlag“-Sinfonie aufspielen. Doch geht es Haydn hier um eine Reise in den Lebenszyklus des Menschen. So steht die überreiche herbstliche Ernte mit dem Saufgelage für das reife Alter, in dem man für die harte Arbeit reich belohnt wird wenn es gut gelaufen ist und zuvor im Frühling der Acker sorgsam bestellt wurde.

„Öffne dich und träufe Segen,“ fleht der Chor im Bittgesang des „Frühlings“ hinaus. Unter Amelung wurde es ein sinnliches Fest. Mit exzellenter Verständlichkeit und Gestaltung des Textes sowie fast schon architektonischer Transparenz der Stimmen nahm er die gewaltigen Abschlussfugen. Nicht minder fesselnd Amelungs Orchesterleitung. Vibratolos ließ er in der Einleitung zum „Sommer“ die Morgendämmerung flimmern, sodann setzt der Tenor ein. „Im grauen Schleier rückt heran das sanfte Morgenlicht,“ Christian Sturm modellierte jedes einzelne Wort. Orchester und Sänger bildeten eine stimmungsvolle Einheit. Gleiches gilt für die junge Katja Stuber (Sopran), die jeden Takt authentisch verlebendigte und sich tief in die Partitur hineinlebte. Dagegen wirkte Christian Hilz (Bass) zuweilen etwas farblos.

Und was wird aus dem herbstlichen Saufgelage? Wie so häufig graut der Morgen danach, es brummt der Schädel, der Kater grinst. Bei Haydn geht es recht morbid zu. „Schon naht der bleiche Winter sich und zeiget dir das offne Grab.“ Spätestens da ist klar, dass es bei den „Jahreszeiten“ um eine Lebensreise geht. Wenn dann noch die Klangbilder wirkungsreich herausgearbeitet werden, fröstelten einen selbst. Großer Beifall in der sehr gut besuchten Kirche, den Wein lässt man allerdings besser sein. Es gibt ja noch das Bier. 

Marco Frei


Musik und Kirche: G. F. Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ im Dom zu Brixen

Eine Musik von theatralischer Kraft

Krieg und Frieden. Zwei Worte, die zueinander in einer unheilvollen Beziehung stehen und die die Geschichte aller Zeiten prägten. Zwei Worte, die auch heute ihre Inhaltsschwere nicht verloren haben und immer noch die Welt gestalten. Im Oratorium „Judas Maccabäus“ von Georg Friedrich Händel geht es um den Kampf des jüdischen Volks gegen die Seleukiden. Ein lebendiges Schauspiel ohne Bild, Bühne und Requisiten war die Aufführung, die im Rahmen von Musik und Kirche im Dom zu Brixen stattfand. Die Musik allein verfügt über theatralische Kraft, unterstreicht den gesungenen Text und illustriert mit einer vielschichtigen Ausdruckspalette das von Thomas Morell geschaffene Libretto. Wem anders als dem Tenor kann man die Befreierrolle anvertrauen, der, fast die italienische Oper vorwegnehmend, sein Volk in die Freiheit führt und den Tempel von Jerusalem zurückerobert. Markus Brutscher schlüpfte in die Rolle des Judas und gestaltete seinen Part mit großer Stimme, sehr differenziertem Einsatz und einer stimmlichen Souveränität, der man bewundernd zuhörte. Annette Markert mit ihrer Altstimme hatte interessante Aufgaben, die sie zwar vokal gut, jeodch mit unruhig wirkendem Körpereinsatz umzusetzen wusste. Andrea Lauren Brown hat einen leichten und beweglichen Sopran, der man jede Koloratur anvertrauen konnte, die sie mit spitzbübischem Lächeln bewältigte. Ihre ausgestrahlte Heiterkeit schien allerdings nicht immer zum gesungenen Text zu passen. Thomas E. Bauer kann seiner schon beachtlichen Biographie wieder einen Erfolg beifügen, denn sein vokaler Einsatz hatte nicht nur hervorragende Qualität, sondern zeigte auch eine Vielseitigkeit in der klanglichen Umsetzung. Diesem hervorragenden Solistenquartett war der Kammerchor München ein ebenbürtiger Partner, der geschmeidig, leicht und locker agierte und durch seine große Klangkultur den Abend bereicherte. Die Neue Hofkapelle München bestach durch einen lebendigen Streicherklang, der mal swingend, mal angriffslustig den Text durch die Kraft ihres Spiels unterstrich. Beeindruckend waren die Bläser, die zwar sehr sparsam zum Einsatz kamen, dann aber Schweres zu leisten hatten. Die beiden Hörner griffen geradezu mit schlafwandlerischer Richtigkeit nach langem Warten in das musikalische Geschehen ein, und die Trompeter leisteten mit ihrem eleganten und intonationssicheren Einsatz einen wertvollen Beitrag. Über allem stand der Dirigent Philipp Amelung, der seine Musiker immer wieder zu lockerem und leichtem Spiel animieren konnte und für die Geschlossenheit und hohe Qualität der Aufführung verantwortlich zeigte.


Händels Feldherr

Kammerchor München bot „Judas Maccabäus“

Konkurrenz belebt das Geschäft. Nach dem fulminanten Debüt des 2006 gegründeten Kammerchors München mit Georg Friedrich Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ (Montagabend im Prinzregententheater) ist eines klar: Philipp Amelung, Gründer und Leiter des neuen Ensembles, wird auch in Zukunft mit seinen Sängern in der Münchner Chorszene an vorderster Front mitmischen. Mit nur 18 Damen und Herren wagte der junge Dirigent sich an Händels musikalisch reiches, ausdruckstarkes Opus. Seine, je nach Projekt, angeheuerten Chorsänger sind allesamt ausgebildet und bestätigen ihre Güte mit perfekter Intonation, Flexibilität, homogenem Wohlklang und stilistischer Sicherheit. Der runde Gesamtklang gefiel im eröffnenden Trauerchor ebenso wie in der immer wieder aufkeimenden Begeisterung für den neuen Feldherrn Judas Maccabäus oder im finalen, von Trompeten umglänzten Gotteslob. In der Neuen Hofkapelle München fand Philipp Amelung engagierte, versierte Partner für seine lebendige gestenreiche Interpretation des Werks von Georg Friedrich Händel. Ein Barock-erfahrenes Solistenquartett – Andrea Lauren Brown (Sopran), Annette Markert (Alt), Markus Schäfer (Tenor), und Thomas E. Bauer (Bass) – setzte in temperamentvoll gestalteten Rezitativen und Arien durchaus theatralische Akzente. Das Münchner Prinzregententheater mit seiner direkten und nichts verschleiernden Akkustik erwies sich als der ideale Ort für diese Besetzung. Beim nächsten Auftritt des Kammerchors München sollte es ausverkauft sein…

Gabriele Luster, Münchner Merkur, 20.6.07


Mutige Besetzung

Der junge Kammerchor München mit Händels „Judas Maccabäus“

Noch ein Chor für München? Warum denn nicht. Der „Kammerchor München“ ist ein professioneller Konzertchor, dessen junge Mitglieder zum Teil bereits internationale Erfahrung in der Alte-Musik-Szene sammeln konnten. Vor einem Jahr gaben sie in Brixen ihr erstes Konzert, jetzt präsentierten sie im Prinzregententheater Händels Oratorium „Judas Maccabäus“. Schon die mutige Besetzung mit nur 18 Sängern zeigte, dass der Chor sich hohe Ziele gesetzt hat. Leiter Philipp Amelung hielt sie zu diszipliniertem und plastischem Chorgesang an, auch wenn der allerletzte Feinschliff noch weiterer gemeinsamer Arbeit bedarf. Mit rauer Expressivität und kräftigem Bassfundament setzte die Neue Hofkapelle München starke Akzente: eine ebenso lebendige wie dichte Wiedergabe der farbigen Partitur. Ebenso überzeugend die Solisten: Als Judas Maccabäus war für den erkrankten Markus Brutscher der erfahrene Markus Schäfer eingesprungen. Mit mädchenhaft-reinem Sopran begeisterte Andrea Lauren Brown als Israelitin ebenso wie Annette Markert mit charaktervollem Alt als Israelit. Thomas E. Bauer ließ als Simon die Koloraturen mit Eleganz und Leichtigkeit perlen.

Sebastian Werr, Süddeutsche Zeitung, 21. Juni 2007


Trauer und Trost zugleich: Philipp Amelung gibt dem enigmatischen Werk die Ambivalenz zurück

(…) Mit dem Bach Ensemble München und dem Münchner Mozart Orchester ist Philipp Amelung zum Abschluss des 7. Ickinger Konzertzyklus in der katholischen Kirche St. Benedikt in Ebenhausen eine vielschichtige Deutung gelungen, in einem Jahr, das Icking oft mit dem Tod konfrontierte. (…) Durchaus schimmert Gardiner durch, zugleich aber modellierte Amelung Momente verklärter Stille mit einer Intensität, die geradezu ins Herz stach. So etwa das „Voca me“ im „Confutatis“: wie ein Gruß aus weiter Ferne. Dagegen erschütterte die Dramatik im „Dies irae“, der Tag des Jüngsten Gerichts; schauerlich auch der „Rex tremendae“, der „König von erschreckender Majestät“. Doch schon bald fleht – in selber Weise wie das „Voca me“ – das „Rette mich“ („Salva me“). So gab Amelung dem Requiem die tiefe Trauer zurück und spendete zugleich Trost, schenkte Ruhe und wohltuende Zuversicht. (…) Als der letzte Ton des Requiems verklungen war, herrschte zunächst tiefe Stille in St. Benedikt. Nach einer solch intensiven Deutung verbietet sich stürmischer Beifall. Diese Stille war die schönste Anerkennung für Amelung: Auf diesen Künstler kann Icking stolz sein.

Marco Frei, Süddeutsche Zeitung, Dezember 2006


Jubel für einen Geniestreich Mozarts Requiem beendet Ickinger Konzertzyklus – „Fulminant“

In derart überzeugender logischer Stringenz kommt Mozarts Requiem selten zu Gehör. Ohne unnötigen Ballast und pathetische Überladenheit gestaltete Dirigent Philipp Amelung am Sonntag das Hauptwerk des Mozartkonzerts. Einen fulminanteren Abschluss hätte der Ickinger Konzertzylus kaum nehmen können. (…) Mozarts „Ave verum“ machte den Spannungsbogen perfekt und stimmte die Zuhörerschaft auf das finale Werk ein. Bereits die ersten Takte des Requiems machten klar, dass Philipp Amelung eine zutiefst durchdachte und radikal entschlackte Deutung des Mozart-Requiems verfolgt. Niemals wurde in üppiger Klangausschweifung oder Schwelgerei gebadet. (…) Amelung, der ein äußerst straffes Tempo vorgab, entlockt dem Bach Ensemble München, dessen Homogenität beeindruckte, schier engelhafte Klänge. (…) Konsequente Diminuendi bis zum fragilsten Pianisimo, rasende Passagen, die doch nie verwischt klangen, erschienen in dieser genialen Mozart-Interpretation niemals bemüht, sondern durchgehend souverän. Das Münchner Mozart Orchester machte seinem programmatischen Namen alle Ehre und überzeugte mit hoher Spielkunst und freudiger, unbeschwerter Frische. Verdienter Jubel für einen Geniestreich.

Barbara Doll, Münchner Merkur, Dezember 2006


Henry Purcell: Fairy Queen

„Die großen Emotionen hingegen drückt Purcells Musik aus. Sie fand in dem jungen Dirigenten Philipp Amelung, seinem solistisch besetzten kleinen Barockensemble und vor allem in Sarah Maria Sun und Daniel Gloger erstklassige Interpreten. Aber auch der Chor präsentierte sich ungemein homogen, klangschön und wendig. Philipp Amelung ließ mit seinem lebendigen Dirigat Gesang und Instrumentalmusik zu einer homogenen Einheit verschmelzen.“

Aktuelle Kritik, Schwäbische Zeitung vom 24. August 2006


Georg Friedrich Händel: Judas Maccabaeus

„.. es mischt sich das religiöse und kriegerische Ambiente zu einem spannenden Bilderbogen, den das Orchester mit zunehmender Ausdruckskraft belebte. Der Chor entwickelte einen biegsamen Klang, der zu kraftvollen Akzenten, aber auch zu beschwörendem, zurückhaltendem Gesang fähig war. Unter der Leitung von Philipp Amelung beherrschten Chor und Orchester das dialogische Spiel brillant.“

Münchner Merkur November 2005


Don Giovanni als Kammeroper

„Die Musiker namhafter Orchester, allen voran des Gewandhaus Orchesters Leipzig, zeigten sich flexibel sowie einfühlsam genug, zwischen intimen und orchestralen Passagen mühelos zu wechseln. In der Reduktion war eine Präzision möglich, die … Philipp Amelung am Pult für einen straffen Fortgang nutzte, ohne zu forcieren.“

Süddeutsche Zeitung Juli 2005


Johann Sebastian Bach: Markus-Passion 

(Bearbeitung von Ton Koopman)

„Philipp Amelung, der treffliche Coach des Münchener Bach-Chores, dirigierte das kernige BachEnsemble München mit 20 Sängern und die stilsichere „La Banda“ mit eindringlicher Diskretion.“

Süddeutsche Zeitung März 2005


Franz Schubert: Messe Nr. 6, Es-Dur

„Aber gerade die erstaunlich eindringlich berührenden Gegenüberstellungen von karger Homophonie und so warm temperierter Polyphonie gerieten bei Amelung wirkungsvoll, wie sie unmanieriert mit Reichhaltigkeit der Lyrik -besonders im prachtvollen Sanctus und innigen Benedictus – überzeugten.“

Süddeutsche Zeitung November 2004


Johann Sebastian Bach: 6 Motetten

„Unter der Leitung von Philipp Amelung hat der 22-köpfige Chor diese Juwelen barocker Motettenkunst höchst genussvoll zelebriert…. Trotz der vollendeten polyphonen Satztechnik gelang dem Dirigenten mit Chor und Instrumentalisten – Gambe, Theorbe, Kleinorgel – Ein homogener, schlanker Klang…“

Winsener Anzeiger Juli 2004


Johann Sebastian Bach: Violinkonzert E-Dur, Doppelkonzert d-moll

„Einen vollen Klangkörper bildete das Münchner Mozart-Orchester dann in den folgenden Orchesterkonzerten. Philipp Amelung als musikalischem Leiter gelang es, feinste Nuancen auszuloten und die Lebendigkeit des Vortrags zu bewahren.“

Münchner Merkur Herbst 2003


Johannes Brahms: Deutsches Requiem 

mit dem Münchener Bach-Chor

„Dirigent Philipp Amelungs Wiedergabe gehört zweifellos zu den leidenschaftlichsten und überzeugendsten in den vergangenen Jahren. Ohne den sakralen Charakter … zu verleugnen, tendiert Amelung hin zum lyrischen Epos. Seine sehr souverän und selbstbewusst angeschlagenen Tempi sind oft sehr getragen. Er nimmt sich die Zeit, der Gesamtkonstruktion, den harmonischen Wendungen der Tonarten fast akribisch nachzuspüren… Mit Amelung ist ein Klangarchitekt am Werk, der seine Effekte raffinierter setzt.

Münchner Merkur November 2002